Jahresrückblick 2022: Lucio
30.12.2022 | Lucio Waßill
Meine Jahresrückblicke starten in der Regel mit einem allgemeineren Rückblick zum Magazin und dem Versuch eines Ausblicks für das Folgejahr. Wenn ich mir die Ausgabe aus dem Vorjahr noch einmal durchlese, dann fällt mir insbesondere auf, dass das mit dem anvisierten Relaunch noch nicht so 100% geklappt hat wie gewünscht. Im Hintergrund konnten wir bereits unseren Content neu strukturieren, allerdings fehlt aktuell noch die Zeit, das auch nach außen darzustellen. Es gibt mittlerweile zwar Themenseiten, die Content besser inhaltlich präsentieren, allerdings bin ich insgesamt mit dem Design bzw. dessen Umsetzung eher unzufrieden, weshalb zum technischen Relaunch auch ein Redesign dazu kommen wird. Daran arbeiten wir fleißig und ich bin mir sicher, dass das Resultat sehr gut werden kann, aber sowas dauert eben.
Inhaltlich sind wir nach vielen erfolgreichen Ausgaben von unseren Themenmonaten abgerückt. Gründe gab es einige, die Wesentlichen waren allerdings zum einen hohe Ambitionen bei Themen, die wir eigentlich machen wollten, aber ehrenamtlich nicht mit dem erforderlichen Aufwand bedienbar waren, zum Anderen frustrierende Erfahrungen bei negativ oder nicht beantworteten Interviewanfragen, die eine Planung von Artikeln in diesem Rahmen unmöglich gemacht hatten. Das hatte zur Folge, dass wir häufig Themen schieben und andere Themen improvisieren mussten und irgendwann war einfach die Luft raus.
Die Luft raus war denke ich bei vielen Menschen in der Redaktion in den letzten Monaten und ich denke die Gründe dürften den meisten klar sein. Ein ehrenamtliches Projekt wie das Fanzine steht logischerweise immer hinten an wenn private und berufliche Herausforderungen sämtliche Energie benötigen. Zwar gab es mit Konzerten und Festivals wieder mehr Anreize im Fanzine aktiv zu werden, dennoch verstehe ich eine allgemeine Antriebslosigkeit.
Weiterhin schwierig gestaltet sich die Suche nach neuen Menschen, die sich gern beteiligen wollen. Das Problem haben die meisten Projekte unserer Art zumindest im redaktionellen Bereich. Die Gründe dafür sind auch hier wieder vielschichtig: Wir müssten deutlich mehr Aufwand und Überzeugungsarbeit als früher in die Suche stecken um Personen zu finden, die bereit sind, in dieser Gemeinschaft über Musik zu schreiben als persönlich zu bloggen.
Bei den Fotograf:innen habe ich mich gefreut, dass wir da neue Leute ohne große Aufrufe gefunden haben und auch der Kern weiterhin dabei geblieben ist, es gibt ja nun auch wieder mehr zu shooten.
Diesen Abschnitt möchte ich mit ein paar Ausblicken für nächstes Jahr schließen:
Für das Magazin:
- 2023 werden wir die Website komplett mit neuem Design relaunchen.
- Wir schaffen es, tolle neue Menschen für das Projekt zu gewinnen.
- Es wird ein neues Konzert der Reihe Abriss der Woche geben.
Für die Musikbranche:
- Wir werden einige liebgewordene Bands im Rockbereich sehen, die das XLR-Kabel an den Nagel hängen werden.
- Tourneen von Bands werden kürzer und von den Distanzen deutlich geringer werden, Locations in Ostdeutschland werden darunter massiv leiden.
- Konzerttickets werden deutlich teurer, 15€ VVK und 18€ AK wird sich nicht mehr rechnen .
- Wir werden ein Festivalsterben sehen, dieses Jahr werden mittelgroße Festivals ohne gute ehrenamtliche Basis und scharfem Profil ihre letzte Ausgabe (wenn überhaupt) stattfinden lassen.
Album des Jahres 2022
Ich vermute mal, dass mein Album des Jahres in einigen Jahresrückblicken weit oben an der Spitze steht. Mit "nichts" haben Fjørt endlich das lang ersehnte Nachfolger-Album zu "Couleur" released und meine Erwartungen mehr als erfüllt. "nichts" ist abwechslungsreich, intensiv und erweitert das Spektrum der Aachener Band um sinnvolle Elemente. Viel besser als ich hat mein geschätzter Kollege Jakob das Werk analysiert, unbedingte Empfehlung zum Schmökern.
Konzert des Jahres 2022
Auch dieses Jahr habe ich verhältnismäßig weniger Konzerte besucht als vor der Pandemie. Das lag neben dem Infektionsgeschehen auch daran, dass einige von mir gern gehörte Bands durch Outcallings und Fehlverhalten erst wieder mein Vertrauen zurück verdienen müssen. Ein weiterer Faktor war, dass viele kleinere Bands ihre Tourneen teilweise oder sogar ganz absagen mussten, weil schlichtweg zu wenig Tickets verkauft worden sind. Die Tourneen, die nicht mehr im Programm der Fördermittel abgebildet worden sind, fielen reihenweise ins Wasser. Das macht mir persönlich große Sorgen für die Zukunft insbesondere des Punkrocks und Nischengenres.
Von diesem Problem eher unberührt sind die Donots, die dieses Jahr wieder ihren Grand Münster Slam ausrichteten. Ich gab mir die Zusatzshow und hatte einen wirklich tollen Konzertabend. Wunderbar zusammengefasst hat mein fabulöser Kollege Mark zwar nicht exakt diesen Abend, aber das Konzert am nächsten Tag.
Neuentdeckung des Jahres 2022
Völlig von den Socken gehauen hat mich dieses Jahr die Band unseres ehemaligen Redakteurs Merten: Bad Assumption haben mit "No Excuses" ein absolutes Brett an Langspieler rausgehauen. Post-Hardcore aus dem Gourmetladen der einfach nur gut mundet. Dave hat dazu auch eine lesenswerte Rezension veröffentlicht.
Fanzine-Moment des Jahres 2022
Alle, die einigermaßen regelmäßig auf unseren Socials und der Website unterwegs sind, wurden im Spätsommer von uns mit einer hauseigenen Werbung zugespammt: Abriss der Woche am 30.10.2022 in Hamburg! Wir haben unser fünfjähriges Jubiläum im schönen Häkken in Hamburg nachgeholt und einen richtig guten Abriss mit Lygo und Bad Assumption gefeiert. Am Abend zuvor ist ein Teil der Bande noch in der Astra Stube eingefallen und hat bei Keele den halben Laden gefüllt und einfach nur eine gute Zeit gehabt. Einige aus der Redaktion habe ich tatsächlich auch das erste Mal in echt kennen lernen dürfen. Solche Events geben mir dann immer wieder die Bestätigung und die Motivation, an diesem Projekt festzuhalten und weiter zu machen. Sich mit so einem verschworenen Haufen über Musik auszutauschen, Spaß zu haben und Pläne zu schmieden und dabei mitzubekommen, welche Möglichkeiten und Momente im Rahmen des Fanzines für einige Personen möglich geworden sind, geht mir immer sehr nahe. Gerne wieder!
Lucio Waßill
Im Januar 2016 hat Lucio das Projekt "Album der Woche" als Schnapsidee ins Leben gerufen. Dummerweise fand das Projekt sofort positiven Zuspruch und jetzt leitet er, der eigentlich ein Webentwickler ist, das Fanzine in seiner Freizeit.