Being As An Ocean und "Death Can Wait": Ein Komapatienten-Dilemma
29.02.2024 | Jakob Uhlig
Being As An Ocean haben als Band einen ganz schönen Ritt hinter sich. In ihren Anfangstagen zeichneten sich die Kalifornier mal vor allem dadurch aus, dass ihre Musik irgendwie so gar nichts von der fast schon maschinell wirkenden Produktionsästhetik ihrer vielen Melodic-Hardcore-Zeitgenoss:innen hatte. Stattdessen hatte der krasse Kontrast von sanften Midwest-Emo-Instrumentals und den ungekünstelten Schrei- und Sprechpassagen von Frontmann Joel Quartuccio in aller Verzweiflung bemerkenswerterweise etwas sehr Erdendes. Als die Band schließlich vor allem ab Album Nummer Vier begann, etwas dicker aufzutragen, hatte auch das etwas für sich. Ein "Thorns" wirkt auch heute noch organischer und interessanter als vergleichbare Gigantismus-Versuche von zum Beispiel Architects. Die Idee, einen ganzen Song mit Reverse-Effekt aufs Album zu packen, hatte anderseits zwar auch schon damals weniger Geist und Reiz, als die Band einen glauben lassen wollte, aber immerhin war klar: Being As An Ocean wollten etwas.
Damit sind wir angekommen im Jahr 2024, in dem Being As An Ocean nach fünf Jahren ohne neuen Langspieler und der Abspaltung zweier Gründungsmitglieder ihre nunmehr sechste Platte "Death Can Wait" veröffentlichen. Diesem Album passiert das wahrscheinlich schlimmste, was Musik passieren kann: Es ist relativ egal. Das liegt vor allem an der großen Schemenhaftigkeit, mit der die Band ihre Songs schreibt. Die elektronisch flirrenden und Großes ankündigenden Intros von quasi jedem Song sorgen stets für gespannte Antizipationen, ergießen sich dann aber zuverlässig zum Refrain zu einem Songwriting-Produkt von der Stange. "Death Can Wait" fühlt sich über seine Gesamtdauer ein wenig so an wie durchschnittliche Klatschpressen-Artikel, in denen dir reißerische Überschriften Familienzuwachs von Bibis Beautypalace ankündigen, um im Fließtext dann damit herauszurücken, dass es sich dabei um einen Hundewelpen handelt.
Mit der Zeit stellt sich so auch ein Gewöhnungseffekt ein, in dem diese Enttäuschung schon vorprogrammiert ist und so im Endeffekt gar keine mehr wird. Dabei ist der Gesangsgestus von Quartuccio eigentlich immer noch die große Stärke von Being As An Ocean. Wenn er zum Beispiel in "The Fullness Of My Being" in einer klugen Mitte aus gutturalen Elementen und durchaus pathetischen, aber niemals geschmacklosen Redeflüssen über das Scheitern an eigenen Ansprüchen und den Wunsch nach Geltung spricht, hat das etwas wahnsinnig Nahbares. Dieses Gefühl geht sowohl klassischen Hardcore-Breitbeinern als auch angeblich über das im Genre mittlerweile zum Buzzword verkommene Thema Mental Health singende Metalcore-Skinny-Jeans-Träger ganz oft völlig ab. "My head swims with melodies, perfumes/ Obsessing over what they'd etch on my tomb", heißt es dort zum Beispiel schmerzvoll. "Impostor syndrome, always forced to prove/ I am a lover, a poet/ Grander ego will give me more to lose", lamentiert Quartuccio weiter und öffnet sich damit pointiert einem komplexen Gefühl zwischen künstlerischem Geltungsbedürfnis und der Angst, genau vor diesem Bild zu versagen. Wenn die Hook dann aber schließlich genau so in einem "Melodic Hardcore für Dummies"-Buch vorgezeichnet sein könnte, kommt man kaum umhin, der Band entweder die Ehrlichkeit ihrer Zeilen oder ihre musikalischen Fähigkeiten abzusprechen - auch dann, wenn man beides eigentlich gar nicht wirklich fühlt. Am Ende bleibt so eine in der letzten Konsequenz etwas zu zahme Platte, die hinter dem zurückbleibt, was diese Band mal konnte. Being As An Ocean tuen so keinem mehr weh - und genau das war eigentlich mal die große Stärke dieser Band.
Wertung
Sowohl hinter der Band als auch hinter den guten Momenten von "Death Can Wait" vermutet man eigentlich mehr, als die vielen Schema-F-Momente der Platte letztendlich liefern. Das fühlt sich nur in zweiter Reihe wie eine Mogelpackung an, in erster Linie ist es einfach schade.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.