King Gizzard & The Lizard Wizard und „K.G.“: Eine Forschungssonde im Gizzverse
16.11.2020 | Steffen Schindler
Der Pressetext zu „K.G.“ spricht von einem „Gizzverse“, dass die Australier erschaffen haben. Und es dehnt sich beständig aus. Der Referenzrahmen des Gizzverse ist die Musik des letzten halben Jahrhunderts, von Folk und Psychedelia über Metal und Jazz bis hin zu elektronischen Klängen. Die enorme Spiel- und Experimentierfreude der Band erkennt man auch an ihrem geradezu absurden Output: „K.G.“ ist das 16. Album in zehn Jahren Bandgeschichte und klingt dabei ein wenig nach der Quintessenz dieser.
Im instrumentalen Intro „K.G.L.W.“ treffen wir direkt alte Bekannte wieder: die mikrotonalen Gitarren von „Flying Microtonal Banana“, einem der fünf Alben, die King Gizzard 2017 veröffentlicht haben. Das für die westliche Musik ungewöhnliche Tonmaterial integrierten sie dabei genial in ihren Psychedelic Rock. Die Songs auf „K.G.“ sind weniger jamorientiert, aber dennoch unvorhersehbar: Der längste Song „Straws In The Wind“ beginnt minimalistisch und laid-back, steigert sich dann in mehrere aufeinanderfolgende Soli, um schließlich hallend auszufaden. Darauf folgt das drängende „Some Of Us“, das eigentlich schon zu Ende ist, als es noch mal ein paar groovige Sekunden drauflegt.
Die Platte lebt von den Kontrasten, die sie erzeugt, sowohl innerhalb der Songstrukturen als auch im Albumkontext. Auf das folkige „Honey“ folgt mit „Hungry Wolfs Of Fate“ ein epischer Song mit einem fast schmerzhaft verzerrten Riff. Die verrücktesten Ideen vereinigt allerdings „Intrasport“: Der Song ist geprägt von Drumcomputer und Synthesizer, verzichtet aber nicht auf mikrotonale Gitarrenriffs und psychedelische Filtereffekte. Das klingt, als hätte man Tears for Fears einen Bollywood-Titelsong aufnehmen lassen, ihnen vorher aber LSD in den Kaffee getan.
Wer es noch nicht gemerkt hat: „K.G.“ ist eine Abkürzung für „King Gizzard“. Den Band- als Albumnamen zu verwenden, hat immer auch etwas Programmatisches. Als wolle man markieren, welche Platte stellvertretend für das ganze Werk stehen könnte. Bei dieser Band wäre es schon schwierig, einen gemeinsamen Nenner für die beiden letztjährigen Alben zu finden: Das verspielte „Fishing For Fishies“ und der Metal-Tribut „Infest The Rats‘ Nest“. Das kosmische Hintergrundrauschen des Gizzverse ist nicht einheitlich, sondern besteht aus der Freude am Experiment. Und das fängt auch „K.G.“ ein.
Wertung
Mit „K.G.“ präsentieren King Gizzard & The Lizard Wizard eine Art Quintessenz ihres Schaffens und eine ideale Basisstation zur Entdeckung des Gizzverse.
Wertung
Während "Flying Microtonal Banana" zu einem Großteil nach psychedelischem Stoner Rock klingt, der an jedes Riff ein paar einzelne Vierteltöne hängt, funktioniert "K.G." deutlich besser als mikrotonale Musik. Hier klingen die modifizierten Viertel-Ton-Gitarren nicht nur wie ein nettes Gadget. Das Album geht leider nicht wirklich in Extreme wie zum Beispiel "Nonagon Infinity" oder noch zuletzt "Infest The Rats Nest", kann aber durch einen hohen Durschnitt und wieder einmal intelligente Promotion punkten.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.