K.I.Z und "Görlitzer Park": Erwachsene Problemkinder
30.06.2024 | Moritz Zelkowicz
Der Görlitzer Park, liebevoll „Görli“ genannt, ist eine Legende in Berlin Kreuzberg. Bis Mitte der 80er Jahre noch ein Personenbahnhof, dann erst entsteht auf dem Gelände so etwas wie ein Park. Für Großstadtverhältnisse zumindest. Was in den folgenden Jahren hier entstand konnte sich sehen lassen, schade nur, dass in den 2000ern die Dealerszene hier einen absoluten Hotspot findet. Und sie nahmen unbewusst Einfluss auf die Gestaltung des Parks, denn Hecken und Sträucher wurden ab 2014 abgeschnitten um Verstecke zu vermeiden. Im Verlauf der späten 2010er Jahre wird der Park Tatort vieler Sexualverbrechen. Täglich laufen hier Patrouillen von Polizei und Ordnungsamt das Parkgelände ab. Der Görli ist also seit Jahren für Berliner und Zugezogene ein Sinnbild für Drogen und Gewalt, kurzum, für Gefahr. Im Grunde ist es einfach nur ein Park. Lösungen werden keine gefunden, höchstens Scheinlösungen werden angeboten, die aber auch nicht weniger tun als Aktionismus vorzutäuschen. Der Senat um Bürgermeister Wegner möchte den Park einzäunen und nachts schließen, die Polizei, nun, die probieren es mit Racial Profiling. Und JETZT kommen K.I.Z in diese Erzählung, denn nicht nur das Album heißt „Görlitzer Park“, die Single behandelt ebenfalls genau dieses Thema. Am 21. Juni 2024 laden die drei nicht nur zu einem Releasekonzert in den Görli, es ist eine Protestveranstaltung, gegen die geplanten Maßnahmen des Senats. Dass K.I.Z politisch sind ist natürlich absolut nichts neues. Und doch überrascht die Klarheit und Konstruktivität der Worte. Auch die Aufmachung ist besonders. Denn trotzdem wirkt alles ungewöhnlich düster.
Was aber auch an den Themen liegt, die das Album beinhaltet. Denn sie sind auch ungewöhlich ehrlich, selbstreferenziell und unironisch. Das klingt nach Klischee, funktioniert aber unglaublich gut. Es geht um die eigenen Anfänge im Rap in der Kindheit, um Parties und Verantwortung in der Jugend, die eigene, tief verwurzelte Geltungssucht aber auch das Verhalten zu aktuellen politischen Entwicklungen. Aber nicht so, wie es manche gehofft haben. Denn sie haben keine Lust bei dieser „Positionierungswut“ mitzumachen, wie sie es in Interviews selber nennen. Stattdessen kritisieren sie die gruselige Dialektik selbsterklärter Pazifist:innen, die zwar von Frieden sprechen, aber ordentlich am Krieg verdienen. Bei all dem Ernst, schaffen sie es immer wieder heitere Mitsing-Momente zu kreieren, aber eben immer zu den ernstesten Zeitpunkten.
Was ist denn jetzt dieses "Görlitzer Park"? Ist das ein "klassisches" K.I.Z Album? Ja, aber trotzdem anders. Denn K.I.Z kommen eben häufig provokant und auch gerne einmal schockierend. Und mit dieser Erwartung brechen die Herren insofern, dass sie nochmal differenzierter und klarer an Themen rangehen. Diese Klarheit und düstere Stimmung ist es, die einen so unerwartet trifft und schockiert. Und natürlich wird, frei nach Fatoni, auch klassich die Mutter gefickt, ganz ohne Härte und Klischees gehts dann doch nicht.
Wertung
"Görlitzer Park" kommt in seiner Art überraschend. Es ist technisch absolut sauber, textlich nicht weniger als eine Sensation. Da im Gesamtkontext K.I.Z eher wie ein ernsterer Abklatsch ihrer Selbst klingen, wird es schwierig sein sie auch in Zukunft daran zu messen. Insofern also ein genialer Zug. Auf dem Solo von Tarek konnte man schon erahnen, was noch so in K.I.Z stecken könnte. "Görlitzer Park" offenbart dann aber doch deutlich mehr, als man sich hätte träumen lassen. Und jetzt können wir uns einfach freuen, denn egal ob sie so weitermachen oder so wie auf den letzten Alben, es kann eigentlich nur genial weitergehen. Sie können irgendwie alles.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.