Rising Insane und "Wildfires": Neuer Zunder am Start
26.08.2024 | Daniela Bringer
Das Wunderbare bei Metalcore ist: Es ist musikalisch angenehm vorhersehbar. Es ist klar, es werden Riffs und Schlagzeugzaubereien kommen, die einfach mitreißen und die man auch einfach nur mehr oder weniger ungeduldig erwartet. Es ist klar, es wird Shouts geben, sodass man automatisch die Lyrics heraussucht und mit Bürste oder gar hauseigenem Karaokemikro mitperformt. Es ist klar, dass der Klargesang einen wieder einfangen wird, wenn man sich in den unverständlichen Shouts verlieren möchte.
Die fünf Herren von RISING INSANE begehen mit ihrer neuen Platte WILDFIRES auch diese altbekannten Wege, aber trauen sich selbstbewusst, abseits des ausgetretenen Pfades durch die Wildnis zu stapfen und ein bisschen gegen diese vorhersehbare Methodik anzugehen. Dieses Album präsentiert sich des Öfteren im schillernden Gewand von elektronischen Spielereien in gelungenem Einklang mit headbangergeeigneten Riffs, wundervollem Schlagzeugspiel und dem geliebten Shouting-vs-Klargesang.
Zugegeben, der elektronische Einschlag lässt einen kurz stolpern. Es braucht ein wenig, die mitunter indiepoppige Stimmung am Anfang des Albums zuzulassen. Der Opener "Reign" (der auch gleichzeitig die erste Singleauskopplung war) flockt einem so ins Ohr, dass man sich kurz fühlt, als sei man auf einer Tanzveranstaltung einer gut gelaunten Indiegemeinde - bis Sänger Aaron Steineker bei knapp drei Minuten mal eben kurz zeigt, dass er die Stimmbänder weiterhin gerne reizt.
Auch die aktuell letzte, numerisch sechste Singleauskopplung "Monster" hält nicht mit dieser Grundstimmung hinter dem Berg - die Refraindarstellung wirft gut mit Glitzerherzchen um sich. Aber natürlich bringt die Band auch krachigere Momente aufs Tapet: bei Songs wie "Burn", "Carousel" und "Warning" (Liebling!) wird gezeigt, was für ein deftiger Sound in Instrumenten und Stimmen dieser Band drinsteckt.
Ein großäugiger Blick auf die Lyrics zeigt, dass sich die Band auch bei der neuen Platte mit Themen der (eigenen) mentalen Gesundheit im Umgang mit der Umgebung beschäftigt hat. Es geht unter anderem um das Unverständnis, sich der Meinungsübermacht der sozialen Medien hinzugeben ("Reign"). Die Band findet deutliche Worte, um das Nutzungsverhalten der sozialen Medien in Frage zu stellen ("You live a life in cage, in rage, in hell with yourself. You can't deny, it eats you up from the inside.") und plädiert herzhaft dafür, sich gegen diese Instrumente des Internets aufzulehnen: "We got to stop to fake it, play it, break it. This is all yours, go get your live and take it."
Der auf dem Album direkt danach angeordnete Song "Monster" bezieht sich ebenfalls auf die Internetnutzung und gibt einfache Tipps: "I'm offline, doing right, flight mode, focus my mind." Das sollten wir doch alle einfach mal ausprobieren.
Auch hoffnungsvolle, unterstützende Themen finden ihren Platz auf WILDFIRES. Die vierte Singleauskopplung "Lighthouse" bringt zur Sprache, was ein jeder in turbulenten Zeiten braucht: Jemanden, der einem zuhört und versichert, bei Problemen dazusein. Die Band selbst schreibt zu dem Song auf Instagram: "This song goes out to you. Over the past decade we all achieved so much to put mental health and awareness in the focus. Now everybody knows someone who needs a hand. This is the song that shall remind us to reach out, share our feelings and be there for each other, not [sic!] matter what." Punkt.
Zum Schluss noch ein deftiger Kritikpunkt: Vorsicht beim Genuss des Songs "Malicious"! Dies ist ein hinterhältiger, fieser, gänsehauthevorrufender, wunderbarer Ohrwurm, der einem zu Unzeiten im Kopf herumflirrt und einfach nicht die Stille in einem zu Wort kommen lässt. Was etwas paradox ist, da sich der Song inhaltlich mit dem beklemmenden Gefühl beschäftigt, nichts hinzubekommen und immer wieder in dasselbe negative Gedanken- und Gefühlsloch zu fallen, aus dem man dachte, ausgebrochen zu sein. Nicht wenige Personen werden sich in den Lyrics wiederfinden. Dieser Song kann sowohl inhaltlich als auch melodiös mehr als überzeugen und schafft es locker in meine persönlichen Top 10 des Jahres.
Diskografie
- Nation (2017)
- Porcelain (2019)
- Afterglow (2021)
- Wildfires (2024)
Wertung
Das sauber produzierte, rund klingende Album mag aufs erste Hören etwas anders erscheinen als erwartet, lässt einen aber irgendwie auch nicht mehr los. Immer wieder stehlen sich die Melodien ins Gehör und tragen einen durch Tag und Nacht. Ich sage: irgendwie genau das richtige fürs Jetzt. (Malicious!)
Daniela Bringer
Danielas Ohren werden groß, sobald Blechblasinstrumente auf knalliges Schlagzeug und verliebte Gitarren-Bass-Rhythmen treffen. Das kann sich in feinstem Skapunk, aber auch in tanzbarem Brass-Pop-Rap äußern. Seit jeher besteht zudem eine große Freude an Punk, Deutschpunk, Metalcore und Hardcore, aber auch Ausflüge in die elektronische Richtung. In der Berliner Kulturwelt groß geworden gab es Abstecher in die Studierendenszene Jenas und ins Kulturleben Stuttgarts, nur, um dann doch wieder in alte Gefilde zurückzukehren.