Youth Killed It und „What’s So Great, Britain?“: Ehemalige Metalheads in Indie-Höchstform
10.10.2018 | Mark Schneider
Mit „What’s So Great, Britain?“ enthält der Titel des nun zweiten Albums der neu ausgerichteten Engländer eine Fragestellung, die durchaus provoziert. Der gleichnamige Opener klingt ordentlich punkig und kreidet dem Inselstaat und der dortigen Ist-Situation einiges an. Sänger Jack Murphy richtet sich gegen die Gesellschaft und das Denken in Großbritannien, gegen politische Entwicklungen und ruft vor allem dazu auf, das Vorhandene zu ändern und die eingeschlagenen Wege zu korrigieren.
Für Youth Killed It hält man sich auf der Insel an Vergangenem fest und sieht sich selbst in der eigenen Wahrnehmung größer, als man eigentlich ist („we only won the world cup once and now we’re living like we’re out in front“). Immerhin ist dieser symbolisch besungene Sieg der Fußball-WM 52 Jahre her. Die Augen werden vor der Zukunft verschlossen. Das Ganze klingt genauso nach Punk, wie es sich liest. Auch wenn Indie-Punk oft eine gewisse Härte vermissen lässt, wird bereits „What’s So Great, Britain?“ mit seiner eingängigen Melodie im Refrain und der durch den Akzent geprägten Stimme von Jack schnell zum Ohrwurm. Die Band legt hiermit den Grundstein eines abwechslungsreichen Albums und stimmt die Hörerschaft gelungen auf die elf weiteren Tracks ein.
„What’s So Great, Britain?“ erscheint zwar im typischerweise eher tristen Oktober, klingt aber vom ersten Track an nach dem genauen Gegenteil: Nach musikalischem Hochsommer, produziert von der Band höchstpersönlich. Youth Killed It kreieren ihren eigenen, lebendigen Sound aus Gute-Laune-Melodien, eingängigen Refrains und der markanten Stimme von Jack Murphy. In einigen Songs bauen die fünf Briten an den richten Stellen immer mal wieder etwas Abwechslung ins Soundbild ein. So wird beispielhaft „Headbutt“ teilweise von einem Xylophon begleitet oder in „This Sounds Cliche“ Background-Vocals mit „uhlalala“ eingesetzt. Das passt ausgesprochen gut! Youth Killed It variieren Ihren Sound in nahezu jedem Track ohne dabei zu übertreiben oder das Gefühl zu vermitteln, auch nur ein Element gehöre nicht an seinen Platz. Die im Vergleich sehr ruhige Ballade „On My Own“ über gescheiterte Liebe lässt den Tonträger im wahrsten Sinne des Wortes angemessen ausklingen.
Eine Ausnahme gibt es jedoch zu bemängeln: In „Great British Summer“ überkommt einen das Gefühl, es mit den Red Hot Chili Peppers zu tun zu haben. Es klingt einfach zu sehr danach, als hätte man bei den Amerikanern den Sänger getauscht und einen Briten eingestellt. Das bleibt aber die einzige Ausnahme in einem sonst stimmigen und vor allem eigenen Sound.
Der Albumtitel rechtfertigt sich lyrisch nur im gleichnamigen Opener. Danach hat die Band nichts mehr an Großbritannien auszusetzen und konzentriert sich inhaltlich lieber auf andere Themen. Zweifelsfrei merkt man dem gesamten Werk eine sehr persönliche Note an. Die Briten besingen eine große Bandbreite an Themen, die einen selbst und vor allem Sänger Jack nach seiner eigenen Aussage in den letzten eineinhalb Jahren beschäftigten: Trennung, Selbstzweifel, Unsicherheit, Gleichgültigkeit und der Wandel, den die Heimat der Band in vielen Hinsichten weiterhin durchmacht.
Unterm Strich schaffen es Youth Killed It, mit ihrem zweiten Studioalbum genau das bei Ihrer Hörerschaft zu erreichen, was laut Murphy der Sinn vom angesprochenen Titel „Great British Summer“ ist: ein bisschen Sonne und positive Energie in einen verregneten Tag über all das Murren der Menschen zu bringen. „What’s So Great, Britain?“ mit seinen eingängigen Melodien und schnell im Ohr verankerten Texten macht auch nach mehrmaligem Anhören noch richtig Spaß! Ein Album für den Sommer im Kopf, ob es nun tatsächlich Sommer oder da draußen nass und kalt ist spielt keine Rolle. Mit dieser Leistung brauch man sich hinter den Großen der Szene wie den Arctic Monkeys, The Clash, Blur und vielleicht sogar den Red Hot Chili Peppers keineswegs zu verstecken.
Wertung
Mein Sound zum Feierabend! Youth Killed It verbreiten mit „What’s So Great, Britain?“ mächtig gute Laune, die ansteckt. Dabei verlieren die Briten aber keineswegs inhaltliche Relevanz und Kritik aus den Augen, was guten Punk für mich definitiv ausmacht. Einzig störend finde ich, dass man dem einzigen schon schwachen Song „0121“ vor jedem Refrain den Rhythmus nimmt und komplett runterfahren lässt.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.