Tobias Rische von Alazka: "Es ist unfassbar, was dein Kopf mit deinem Körper macht."
10.12.2017 | Ole Lange
AdW: Wie verlief für euch die Tour mit Imminence und Across The Atlantic?
Tobias: Megakrass, wenn man sieht, was in zwei Wochen auch für Freundschaften entstehen und man fast jeden Tag einen geilen Abend hatte. Es ist ja nicht so geplant gewesen, aber da wir alle von einem Label sind, hat sich das angeboten. Across The Atlantic sind ja auch zum ersten Mal in Europa und heizen immer saustark ein.
AdW: Dann muss das ja für die Jungs echter Luxus sein, in Deutschland zu touren.
Tobias: Auf jeden Fall. Wenn man von Bands hört, was die teilweise geboten kriegen, ist man echt geplättet. Wir sehen das halt als selbstverständlich an, gastfreundlich zu sein. Das ganze Care-Taking hast du in Amerika nicht. Dort interessieren sich Promoter gar nicht für die Bands. Da gibt es kein Essen, wenn man ankommt. Zudem kommen diese Killer-Fahrten. Across The Atlantic meinten auch, dass die mal nur zwei Tage spielen und dann halt zwei Off-Days brauchen, weil die Wege einfach zu weit sind. Ich meine, wir sind von Dortmund nach Cardiff und dann in die Niederlande immer nachts durchgefahren. Das geht schon an die Knochen, aber is' halt Tour. Klar, Luxus ist immer geiler, aber da muss man einfach durch.
AdW: Das ist ja auch das Problem bei vielen jüngeren Bands. Wenn man sich das nicht erarbeitet, verflacht auch schnell dieser Bezug zu dem, was man erreicht hat. Die brauchen teilweise eben auch diesen Nightliner, Hilfe beim Aufbau oder whatever. Gerade wenn mal ein Kabel fehlt, dann sind viele erstmal aufgeschmissen.
Tobias: Das ist vollkommen richtig. Dazu muss ich aber sagen, dass unsere zweite Tour auch schon eine Nightliner-Tour war, damals zu der Impericon Never Say Die!-Tour. Brauchen tun wir den ganzen Kram aber nicht. Ich respektiere Bands auch nicht, wenn die beispielsweise für eine Woche Tour mit dem Nightliner fahren. Wenn man das Geld hätte, würden wir das sicher auch machen. Aber so ist das alles viel intimer und cooler. Und auch wie angesprochen, den Aufbau übernehmen wir halt auch alle selbst. Julian, unser Bassist, und Tim, unser Soundtechniker, fangen sofort nach Ankunft an, die Bühne aufzubauen. Ein kleines Beispiel zu einem fehlenden Kabel habe ich auch noch. Am Anfang der Tour habe ich das Powerkabel von meinem Funkmikrofon vergessen. Zum Glück haben wir ja gleich in Dortmund gespielt. Dadurch konnte ich noch einmal schnell in den Proberaum fahren. Aber bei der ersten Show haben Across The Atlantic ausgeholfen. Man unterstützt sich halt, wo man kann.
AdW: Was sind denn so die letzten Alben oder Bands gewesen, die du intensiver gehört hast?
Tobias: Das ist echt eine schwierige Frage. Die Art von Musik, die wir machen, die höre ich eigentlich gar nicht mehr. Vielleicht liegt das einfach daran, dass ich die Musik jetzt auch schon zu lange mache. Ich höre in letzter Zeit sehr viel Hip-Hop. Ganz oben steht bei mir Kendrick Lamar. Das ist so ein bisschen mein Idol, auch wenn man das mit der Musik gar nicht vergleichen kann. Der Typ ist aber ein totales Mastermind und macht ja alles selber. Was ich auch viel gehört habe, das ist eine DJ Kombo namens The Midnight. Das ist so Synth-Pop-Electro. Don Broco oder Lower Than Atlantis sind Bands, die wir alle gern hören. Aber auch alte Sachen wie Slipknot sind immer noch präsent. Ich finde es halt wichtig, dass man seinen Horizont als Musiker erweitert und nicht immer in seiner Schiene, die man auch macht, versackt.
AdW: Ist vielleicht auch Kassim und der Clean-Gesang eine Quelle, durch die ihr jetzt neue musikalische Erweiterungen bezieht?
Tobias: Das würde ich nicht mal so sagen. Wir hatten von Anfang an vor, das zu machen, was wir jetzt können. Wir haben es hier und da mal versucht, aber durch Kassim kann es jetzt nach vorne gehen.
AdW: Hat sich mit Kassim auch euer Songwriting geändert?
Tobias: Das war bei uns eigentlich sehr strikt. Marvin und Dario haben sich mehr um den instrumentalen Part gekümmert, Julian aber natürlich auch. Das lief auch super. Die Sache war bei uns aber, dass wir ein festes Datum hatten, das Album aufzunehmen. Die Platte war aber noch nicht fertig. Durch den Stress haben aber alle sich wirklich nur noch auf das Album konzentriert. Im Prinzip war das musikalische Grundgerüst auch schon fertig, zumindest die Basics. Dann hat aber irgendwie auf einmal alles gepasst und Tobias hat beim Schlagzeug auch nochmal seinen eigenen Stil mit reingebracht. Und Julian hat dann die Lyrics geschrieben. Es ist viel zu krass, was er schreibt, weil sich jeder von uns irgendwie mit den Texten identifizieren kann. Die vier Wochen im Studio haben dann auch viel Stress und Arbeit in sich gehabt.
AdW: Wie funktioniert das noch auf der Bühne, wenn man so zu sechst ist? Spielt es sich besser, wenn man auf größeren Bühnen Musik macht, oder ist es geiler, wenn man enger zusammensteht?
Tobias: Das kann man echt pauschal nicht sagen. Bei großen Bühnen kann man halt wie bekloppt durch die Gegend rennen. Doch da geht einem auch echt schnell die Luft aus. Bei kleineren Locations ist halt immer noch der Vorteil, dass die Leute ausrasten und man gemeinsam eine sehr intime Stimmung. Kassim und ich sind ja nun beide Sänger und wir wechseln uns dabei wirklich ab, wer jetzt vorne steht, gerade wenn wie bei „Everything“ mein Part am Ende ist. Ich gehe nicht von der Bühne, aber jeder soll den Platz kriegen, den er verdient hat.
AdW: Bist du eigentlich selbst noch der Mensch, der gerne auf Konzerte geht?
Tobias: Wenn ich Lust hab, ja klar. Ich kann nicht sagen, wie oft ich jetzt auf Konzerte gehe. Es macht halt immer noch Bock und ich sag nicht: „Kann ich mir nicht mehr geben.“
AdW: Und wie sieht es aus mit Pogen?
Tobias: Gar nicht mehr. Früher bin ich auf Konzerten noch übel ausgerastet und hab noch gemosht was das Zeug hält. Gerade auch mit Tobi war ich viel unterwegs, das hat sich aber gewandelt. Mittlerweile bin ich mehr der Genießer.
AdW: Denkst du, das liegt am Alter oder mehr an der Vielzahl an Konzerten?
Tobias: Ein bisschen von beidem. Ich sehe halt immer noch Leute, die deutlich älter als ich sind und trotzdem den Moshpit starten. Das Genießen kommt wahrscheinlich mehr mit der eigenen Mentalität. Im Gegensatz dazu muss ich aber auch sagen, dass es wahrscheinlich mehr die Musik ausmacht, ob man komplett ausrastet.
AdW: Würdest du bei eurer eigenen Musik auch komplett ausrasten?
Tobias: Es gibt da sicherlich welche, die es anders sehen, aber ich feiere unser Album immer noch mega-hart und höre das auch noch so gerne. Letztens in Polen war wieder eine übertrieben krasse Show, weil die dort alle komplett durchdrehen. Ich geh da auch noch gerne mit rein. Da stell ich mich halt einfach mitten in die Crowd und sehe den Jungs von unten zu, wie die beispielsweise „Everything“ zocken. Ich habe quasi meine Band angesehen. Man sieht ja nie wirklich, wie man selbst auf der Bühne aussieht. Und das war schon ein verdammt geiles Gefühl.
AdW: Hattest du Angst vor dem Album?
Tobias: Ehrlich gesagt schon, aber vor allem, weil ich Sorge hatte, unseren Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Vor solchen Leuten, die meinen, wir würden uns komplett ändern hatte ich aber keine Angst, denn das stimmt ja so nicht.
AdW: Alles, was musikalisch zu einer Band dazukommt, ist ja vielmehr als Bereicherung zu sehen.
Tobias: Genau, das denke ich halt auch. Als wir damals „Blossom“ aufgenommen haben, war das eine Phase bei mir, da ging es mir nicht so gut. Ich möchte gar nicht ins Detail gehen. Es war einfach eine Scheißzeit. Es ist unfassbar, was dein Kopf mit deinem Körper macht. Ich habe meine Shouts nicht mehr so machen können, wie es mal war. Ich wollte natürlich, dass es bestmöglich wird. Meine Stimme wollte aber nicht. Das war wirklich ein Scheißgefühl, wenn das Einzige, was man hat, auf einmal nicht mehr funktioniert. Daher hatte ich auch wirklich Angst, dass meine Stimme immer noch nicht so will, wie ich das gerne hätte. In den vier Wochen Studio muss dann halt auch alles klappen. Ich habe wirklich alles gegeben und mich bestmöglich drauf vorbereitet. Dann haben wir „Ghost“ als erstes aufgenommen und es klang dann halt schon richtig gut. Dann lief auch alles seine Zeit lang und dann kam „Blossom“. Ich habe mich auf das ganze Album gefreut, aber der Song war wirklich noch zu knacken. Dann haben wir losgelegt und es lief auf einmal echt gut. Ansonsten habe ich mich wirklich mehr auf das Album gefreut als Angst davor zu haben. Ich meine, wir haben zum ersten Mal in einem echt guten Studio aufgenommen.
AdW: Kannst du für dich den Knackpunkt ausmachen, nachdem es wieder aufwärts ging?
Tobias: Es musste irgendwie wieder bergauf gehen. Ich glaube, wenn man richtig Bock hat, dann läuft das auch irgendwann wieder. Irgendwann klappt das. Klar gibt es auch Wochen, in denen alles scheiße läuft. Ich habe aber gemerkt, dass es irgendwann irgendwie immer besser wird. Du hast immer Leute an deiner Seite. Und wenn nicht, findest du jemanden, der dir hilft. Es gibt immer jemanden, der neues Licht in die Dunkelheit bringt. Solange man Emotionen und Energie reinsteckt, wird das einfach.
AdW: Das sind wirklich wahre Worte. Nun gut. Magst du noch etwas loswerden, dass dir am Herzen liegt?
Tobias: Ja gerne. Das habe ich gerade schon angeschnitten. Wenn es jetzt um das Thema „schlechte Gefühle“ oder „negative Vibes“ geht, dann möchte ich auch bitte jedem ans Herz legen, dass wir als Band selber mit vielen Problemen dealen mussten, gerade auch im privaten Leben. Falls jemand einen zum Reden braucht, gerade vielleicht einen Außenstehenden, dann sind wir alle da. Kommt einfach zu uns.
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.