Joes Nagelstudio: "Ruiner" - Auferstanden aus Ruinen
07.12.2021 | Johannes Kley
"Ruiner" hat mich damals sehr verwirrt. Er klingt teils industrial-mäßig und sehr düster und ist dann wieder tanzbar und hat sogar einen Rap-Part. Später habe ich erfahren, dass er aus zwei Songs zusammengefügt wurde und Reznor selbst gesagt hat, dass er nicht weiß, ob er wirklich gut geworden ist. Ich persönlich liebe den Track und benenne seit Jahren meine Feuer-Pokemon oder RPG-Charaktere danach. Die Stimmung ist bedrückend und "Ruiner" ist definitiv kein Wohlfühlsong. Er ist voller Wut und Verzweiflung, aber auch Befreiung, kommt doch die Zeile "You Didn't Hurt Me, Nothing Can Stop Me Now" darin vor. "Nothing Can Stop Me Now" ist dahingehend interessant, weil diese Zeile auf "The Downward Spiral" und späteren Alben mehrfach erwähnt wird. Reznor arbeitet gerne mit Selbstzitaten und so gibt es auf dem Album auch eine Melodie, welche in mehrere Tracks eingearbeitet wurde, aber das nur am Rande. Wer mehr wissen will, sollte sich definitiv den nin.wiki-Eintrag zu Gemüte führen.
"Ruiner" beginnt mit mit einem Sample aus dem David-Lynch-Film "Elephant Man" und treibenden Drums, welche kurz darauf von Synthesizern und Reznors Stimme begleitet werden. Plötzlich wandelt sich der Song in ein kontrolliertes Chaos, nur um dann plötzlich in sanfte Industrialklänge überzugehen. "Ruiner" lässt keine Atempause und überrascht immer wieder mit Tempo- und Klangwechseln. Trotz allem bleibt es in gelenkten Bahnen und klingt nie unangenehm, sondern interessanter als es zu erst anmutet. Die Songstruktur ist klassisch mit Strophen, Bridges und Chorus, sodass "Ruiner" trotz klanglicher Herausforderung gut ins Ohr geht.
Die brutale Mischung aus pumpenden Drums, orgelartigen Synthesizern und Reznors Stimme, ob sanft oder schreiend, begeistern mich bei jedem Hören erneut. Der Track passt perfekt auf ein destruktives Album wie "The Downward Spiral" und gehört seit Jahren zu meinen Lieblingssongs von diesem Album. Er ist ein wenig herausfordernd, doch wer sich auf die Zerstörungskraft einlassen kann, findet einen Song, der einfach nur mitreißt. Wer mal wieder so einen richtigen Scheißtag auf Arbeit hatte oder frisch getrennt ist, kann die Wut perfekt beim Hören von "Ruiner" rauslassen und sich beim Entdecken von kleinen Details ablenken. Das Gitarrensolo fand Reznor damals übrigens selbst gar nicht so gut, aber sein Drummer schon und so blieb es dann eben doch im Song. Wie hätte es Bob Ross genannt? Happy Accidents.
Auf "Further Down The Spiral" wurde später ein Remix veröffentlicht, der von Charlie Clouser gemixt wurde, welcher den Track in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt.
Wie bereits erwähnt, ist "Ruiner" ein Mix aus zwei Songs. Vor einiger Zeit hat Reznor auch die Demo vom Song veröffentlicht und auch wenn da schon einiges vom späteren Song zu hören ist, wäre es sicherlich interessant, wie die andere Hälfte klang. Das werden wir aber vermutlich nie erfahren.
Wie ihr also hören konntet, hat der Song eine gewisse Wandlung durchgemacht und sich auch definitiv zum Positiven entwickeln können. Auch wenn Reznor den Song nicht perfekt fand, so kann ich nur empfehlen, das Lied selbst zu entdecken. Selbst im Nine Inch Nails-Katalog ist "Ruiner" außergewöhnlich, da es wenig Nine Inch Nails-Songs gibt, die so viele Stilwechsel haben. Aber "Ruiner" schafft es bei all den Wechseln immer gut zu klingen.
"The Downward Spiral" ist auditiver Wahnsinn und "Ruiner" passt einfach perfekt darauf.
Johannes Kley
Kolumnist und Konzertmuffel Joe ist Gesundheits- und Krankenpfleger in Bochum, liebt seinen Hund, liest leidenschaftlich gern, gibt ungern Bewertungen für Alben ab, ist Musikliebhaber, irgendwo zwischen (emotional) Hardcore, Vaporwave, Goth-Pop und Nine Inch Nails und versorgt euch unregelmäßig mit geistigen Ergüssen aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt.