Dave und die Schatten aus dem Schrank: Press Club, Casey, Zeal and Ardor
16.01.2025 | Dave Mante
Es wird mal wieder Zeit, also das dachte ich mir, als ich mal wieder über ein paar Alben gehovert bin, welche ich schon länger mal anhören wollte. Zeit für den Pile of Shame. Zeit für Dave und die Schatten aus dem Schrank.
Press Club - "Late Teens"
Album Nummer 1, das hätte ich schon vor langer Zeit mal genauer anhören sollen. So ist „Late Teens“ der australischen Band Press Club eines, welches ich eigentlich nach dem Konzert in Berlin, welches ich mit als mein liebstes des Jahres bezeichnet, hören sollte. Wie ihr nun wohl wisst, hab ich das nicht gemacht. Ändern wir das. „Late Teens“ möchte ich als eine Art Blaupause bezeichnen, eine Blaupause dafür, warum die Australier*innen ständig so großartige Musik machen. Denn auch nach langem Nachdenken fällt mir nichts ein, was dem Album und Press Club generell wirklich ähnelt, eventuell die früheren Alben von Paramore, aber selbst das sehe ich so weit von dieser Scheibe weg, dass man da schon viele Augen zudrücken muss, muss wirklich einen Vergleich herzustellen. „Headwreck“, „My Bodys Changing“ und natürlich das absolut großartige „Suburbia“, die stehen nicht nur auf der Tracklist zusammen, sondern stehen auch sinnbildlich für die Einzigartigkeit der Band. Da treffen gern mal Emo-Instrumentals auf unglaublich energetische Vocals und andersrum. „Late Teens“ kann hier klar durch jedes Album der Band gesehen werden, aber ganz ehrlich, das hier ist die Wurzel und da fängt eben alles an.
Lieblingssong: „Suburbia“
Vibe: Der letzte Tag eines Urlaubes, das Auf und Ab der Gefühle, Lust auf das vertraute daheim, aber schon aufkommende Sehnsucht nach dem Fremden.
Casey - „Where I Go When I Am Sleeping“
Jetzt wird es komisch. „How to Dissapear“ von Casey ist mein Album des Jahres 2024, ohne sonderlich große Konkurrenz und trotzdem habe ich den Vorgänger hier, warum? Nun, „Where I Go When I Am Sleeping“ kam zu einer sehr ungünstigen Zeit heraus, nämlich als ich gefühlt alle Platten gekauft habe, die nur entfernt im Metalcore Genre festzusetzen sind und gehyped werden. Oft resultierte dies in einem „Hab ich gekauft, aber nie gehört“ und exakt das ist hier passiert. Dabei habe ich erst 2022 „Love Is Not Enough“ so richtig lieben gelernt und dann aber einfach nicht weiter gehört. Großer Fehler, denn obwohl der zweite Longplayer der Band aus South Wales schon anders klingt als ihr Debütalbum, so catched er mich ebenso. In vielen Punkten um einiges rauer und lauter hat das Album mehr was von den frühen Being as an Ocean, als der Melancholie mit den Schreiausbrüchen auf „Love is Not Enough“. Was Casey nicht verlieren ist ihre tiefe Traurigkeit und Aha-Momente, wie bei „Fluorescents“, welches sehr ruhig startet und dann von jetzt auf gleich losbricht wie ein Sturm. Und wirklich, wirklich gut wird es dann spätestens beim Closer „Wound“ reineren Melodic-Hardcore gibt es nur aus Kanada.
Lieblingssong: „Wound“
Vibe: Spätes Nachtrauern, Wut ablassen und dabei bedeutungsschwanger mit gesenktem Blick durch eine dunkle Stadt laufen, während es leicht nieselt
Zeal and Ardor - "Zeal and Ardor"
Kurz Off-Topic, diese Kolumnen benötigen immer einen Auslöser, ein Album, welches ich anhöre und mir denke „Darüber willst du etwas sagen, aber wie willst du das machen, wenn schon viel über das Album gesagt wurde?“. Eines dieser Auslöser-Alben ist das Self-Titled Album von Zeal and Ardor aus 2022, ja genau, das Album, welches von Kai eine 10/10 bekommen hat und spätestens seitdem auf meinem Pile of Shame liegt. Und aus Berichten über die Band habe ich viel gehört, was mich erwarten könnte, aber niemals hätte ich das erwartet, was mir hier wie eine Salve von Tsunamis entgegenschlägt. Zeal and Ardor ein Genre zuzuordnen ist ungefähr so wie das Heu im Nadelhaufen zu finden, man liegt eigentlich immer falsch und eine konkrete Bezeichnung gibt es sicher, aber ich bin keineswegs bereit, diese zu suchen. Zeal and Ardor machen Gospel, Black Metal, Alternative, Death Metal, bisschen Elektro, bisschen Indie und den Rest sicher auch. So folgt auf ein ritualartiges Stück wie „Death to the Holy“, ein Song mit Indie-Rock Instrumental und einem darauf schrill geschrienen Vocals. "Erase" startet wie ein Song von einer Midwest-Emo Platte und driftet dann in Death-Power-Metal ab. „Feed the Machine“ klingt anfangs wie ein Worksong, welcher damit endet, dass man den nächsten Großgrundbesitzer an Satan opfert und dann seine Hofkapelle anzündet. „Church Burns“ klingt übrigens nicht so, nur zur Info, der hätte allerdings auch in Zeiten funktioniert, in welchen Black Sabbath noch relevant waren. „Götterdämmerung“ switched währenddessen zwischen Deutsch, Englisch und Latein, stark, während dich ein Death Metal Instrumental in den Boden prügelt. Und und und, dieses Album ist viel und mit 45 Minuten in 14 Songs wirkt es auch sehr lang, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Die schweren Themen und dunklen Klangwelten nehmen so sehr ein, dass mir ein warmer Sommertag, an welchem ich die Platte zum ersten Mal anhörte, vorkam wie ein stürmischer, dunkler Herbsttag. Ich könnte hier sicher 'nen Roman schreiben, aber Kai hat in seiner Rezension schon sehr viel, sehr richtiges über die Platte erzählt.
Lieblingssong: „Feed the Machine“
Vibe: Immer wieder aufkommende starke Windböen, in Erwartung auf etwas Schlechtes vorsichtig um Ecken laufen und dann beruhigt sein, dass dort nichts ist.
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.