Being As An Ocean und „Proxy – An A.N.I.M.O. Story“: Out
10.09.2019 | Moritz Zelkowicz
Schon bei der ersten Singleauskopplung hatten Being As An Ocean so dick aufgetragen, man hätte meinen können, die Band würde ihren eigenen Spielfilm oder wenigstens eine sechsteilige Kurzserie promoten. Das Video zu „Play Pretend“ war unglaublich groß inszeniert, großes Lob schon einmal dafür. Aber gute Videos machen keine guten Alben aus, daher direkt zurück zum Anfang.
Das Intro „The Envoy“, zu Deutsch der Gesandte, verkündet direkt die Nachricht, die viele vermutet hatten. Die Kalifornier gehen stilistisch weiter mutig nach vorne und lassen den harten, aber dennoch melodiösen Post-Hardcore der Anfangstage immer weiter hinter sich. Ein im Tempo steigender, von Synthie-Klängen unterlegter Beat, der in einen basslastigen und von Hi-Hats getriebenen Klangkosmos mündet. Das ganze geht nach einem kurzen Fade-Out in „Play Pretend“ auf und führt die musikalische Reise von “Waiting For The Morning To Come“ weiter. Das kurze Intro aus Klavier und einem kurzen Elektro-Beat mündet rasch in einen schweren Drum-Part und in ein dazu passend schweres Riff. Vom musikalischen ist das wieder großartig, es entsteht beinahe eine so bedrückende Stimmung wie in „Thorns“ mit seinen Glockenschlägen - nur dass „Play Pretend“ für die gleiche Stimmung die Shouts von Joel fehlen. So driftet der Song ins Melancholische ab.
Die Band fängt das in „Find Our Way“ gleich wieder mit ein, nur dass diesmal das Thema doch positiver ist. Eine rührende Aufmunterung, Hoffnung und Trost in einem. Den Instinkt für gute und passende Melodien haben Being As An Ocean nicht verloren und besonders beeindruckend ist auch wieder das Gefühl für das Songwriting. Gitarrist und Songwriter Tyler Ross hat ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, wo eher die fein ziselierten Texte mit vielen Metaphern und Umschreibungen ankommen und wo klare Worte mit klaren Botschaften besser funktionieren.
Und doch weckt „Find Our Way“ Assoziationen. Der Song geht stark in Richtung Bring Me The Horizon und aus dem Gefühl wird Klarheit, sobald „Watch Me Bleed“ auch nur startet. Der Song könnte der Hidden Track auf „That’s The Spirit“ sein, jedoch nicht auf „Sempiternal“, dafür fehlt einfach die Emotion eines „Can You Feel My Heart“. Nichtsdestotrotz ist auch dieser Track ganz große Klasse.
Doch es geht auch gänzlich abgespaced, Being As An Ocean scheuen sich nicht vor Genre-Akrobatik. Denn Songs wie „Brave“ wirken wie reinrassige Rapsongs, „Tragedy“ mindestens wie ein absurdes Crossover-Konsrukt aus vielen verschiedensten Genres. Rap, Metal, Prog-Rock. Aber über allem steht Jesse Shelley, der mit seinem Drumset stets für die nötige Härte sorgt. Und auch wenn sie für sich gute Songs sind, fragt man sich doch, warum Being As An Ocean überhaupt solche Songs machen. Man wartet mit dem weiteren Verlauf des Albums auf die ersten Autotune-Parts. Und was anfänglich ein Scherz in Gedanken ist, über den man maximal schmunzeln kann, wird in „Low Life (Ode To The Underground)“ Wirklichkeit. Hier wird der Autotune vollkommen Ad Absurdum geführt. Man merkt es nicht mal auf Anhieb. Der Grund ist simpel: Michael McGough singt viel zu gut, als dass man Autotune hier bräuchte. Vielleicht soll es lediglich ein Stilmittel sein, was es aussagen soll, behalten die Künstler für sich. Was hier aber ebenso wie beim nachfolgenden „Demon“ herauskommt, ist in seiner Sache ziemlich stark. Allerdings immer mit einem dicken Fragezeichen. Warum ausgerechnet Being As An Ocean? Würde der Sound nicht einer anderen Band besser passen? Oder warum kommt da nicht einfach eine neue Band, die sich der ganzen Strömungen annimmt und in diesem Gewand vereint? Man muss sich einfach damit abfinden, dass Being As An Ocean einen zwar stetigen, aber in ihrer Art radikalen Wandel vollzogen haben und sich damit immer wieder neuen Mut machen, ihre Kunst voranzutreiben. Denn das ist das Beeindruckende. Egal, was sie auf „Proxy: An A.N.I.M.O. Story“ behandeln, es hat Hand und Fuß und gibt sich zu keinem Punkt der Belanglosigkeit oder gar der Lächerlichkeit einher. Und doch ist es eben anders und bedarf einer Gewohnheitsphase.
Und doch gibt es ein unumstößliches Highlight, denn „A.N.I.M.O.“ ist ein solch überwältigendes Werk. Es vermag den Hörer mit seinen elektrischen Beats, seinem monotonen Gesang in den Strophen, welche stets mit Shouts aus dem Hintergrund unterlegt sind zu erschlagen. Es entsteht eine düstere Stimmung, die Shouts verwandeln sich beinahe unmerklich in Growls. Kurz vor Ende fadet das Stück langsam aus, bis bei dem Schrei eines Kindes wieder das Schlagzeug da ist und der Bass und das Growlen in voller Lautstärke ertönen. Absoluter Gänsehautmoment! Das Outro „What It Means To Be A Human“ wirkt danach absolut unwirklich, schafft es aber einen langsam wieder runterzubringen. Es wabert leise durch den Raum, bis es das Album vollends verstummen lässt.
Sagen wir es wie es ist, Being As An Ocean entfernen sich mit diesem Album noch weiter von der anfänglichen Fanbase und so langsam wird auch denjenigen, die sich ein neuen „Dear G-d“ wünschen klar sein, dass es von dem aktuellen Kurs kein Zurück geben wird, vielleicht auch kein Zurück geben kann. Denn so sehr man mit den neuen Einflüssen auch fremdelt, so großartig sind sie inszeniert. „Proxy“ gibt sich nicht den neuen Strömungen hin, vielmehr unterwirft es sie. Und so bleibt ein hervorragendes Werk, das eigentlich ein gänzlich anderes sein sollte.
Wertung
An diesem Album werde ich noch lange zu knabbern haben. Denn es ist auch nicht das Album, welches ich gerne von Being As An Ocean gehabt hätte. Aber ich kann es nicht leugnen, ich bin begeistert. Denn egal woran sich die Herren heranwagen, es hat ein jedes Mal Substanz. Sie machen ihre Sache keinesfalls halbherzig und so werden Sachen, die auf den ersten Blick befremdlich wirken eben doch wieder stark. Es braucht seine Zeit, man muss seine Vorbehalte gegen die Band verwerfen und einen neutralen Blick wagen.
Wertung
Wirft man einer Band Weiterentwicklung vor? Wenn sie sich von einer der besten Melodic-Hardcore-Bands zu einer kruden Mischung aus Linkin Park, The Chainsmokers und Bring Me The Horizon entwickeln vielleicht schon. Es ist erschreckend festzustellen, wie wenig mich Being As An Ocean mit diesem Album, abgesehen vielleicht vom Outro, noch berühren können und dennoch muss ich vor der dem Mut der Band und der Produktion des Albums den Hut ziehen. Dieses Album verdient sicherlich Gehör. Vielleicht einfach nur nicht meins.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.